Allseitige Beteiligung
Zur Geschichte der WirZeit-Idee



Dies sind ein paar Geschichten zur Entstehung der WirZeit-Zeitschenkidee. Ein Internetportal für WirZeit-Projekte ist gegenwärtig - unter dem Titel "WirZeit - das Beste gibt's geschenkt"  in Arbeit. Da passt alles rein, was man gern tut oder schon immer mal tun wollte, wenn man es über den eigenen Bekanntenkreis hinaus mit Menschen teilt.

Im Jahre 1996 machten wir - eine Krankenschwester, ein Elektriker, eine Lehramtsstudentin, ein Rechtsanwalt, eine Physiotherapeutin und ein Tai Chi-Lehrer – in Gießen eine öffentliche Einladung zu einer ungewöhnlichen Themenkombination:
Ökologie – Globalisierung – Bewegungskunst.
Klimawandel, wirtschaftliche Globalisierung, der Krieg vor unserer ‚Haustür‘ in Ex-Jugoslawien und die zunehmende Umweltbelastung wurden auch von uns als Herausforderungen wahrgenommen, die etwas mit unserem täglichen Leben zu tun haben und auch aus diesem heraus beantwortet sein wollen.

Hoffnungsvolle Bewegungen sahen wir auf der politischen Ebene nicht. Die sahen wir aber eben auf der Ebene der persönlichen Lebenskünste und des Alltags und der sich dort herausbildenden und immer neu mischenden Vielfalt der Szenen und (Jugend-) Kulturen. Unsere Gruppe verband vor allem das Üben von Bewegungskünsten, wie Kung Fu, Judo, Tanz oder Tai Chi. Unsere Leitidee für das geplante Treffen, die aktive Mitwirkung aller Teilnehmenden, leiteten wir insbesondere aus der ganzheitlichen Bewegungskunst des Tai Chi ab.

Die Kunst des Tai Chi gründet auf dem genauen Studium der Bewegungen der Natur. Deshalb beruht ihre Wirkung – sowohl in den Gesundheitsübungen, wie auch in Wettkampf- oder Teamschulungen – auf Zwanglosigkeit und dem ganzheitlichen Zusammenwirken aller gegebenen Kräfte. Auf der sozialen Ebene nennt man das Allseitige Beteiligung, in der Heilkunst körperlich-seelische Selbstregulation, in der Kampfkunst Anwendung innewohnender Kraft, und in der Wissenschaft lebender Systeme spricht man vom ökologischen oder systemischen Ansatz.

Gemäß unserem Grundsatz der allseitigen Beteiligung bereiteten wir zu unserem Themenkreis kleine Erfahrungsfelder und Miniworkshops zum Mitmachen vor und luden die Gäste ein, das gleiche aus ihren teilweise ganz anderen Hobbys oder Berufen heraus zu tun, oder einfach eine passende persönliche Geschichte zum Thema bei zu steuern 25 Leute sind unserer Einladung gefolgt und wir hatten zweieinhalb Tage lang eine Menge Spaß miteinander. Teilweise sehr kontroverse Diskussionen mischten sich mit Feiern, zusammen Kochen und vielen kleinen Mini-Workshops und persönlichen Geschichten.

Da gab es erstaunliche Geschichten über ein Paar Schuhe, eine Mohrrübe, für einen Physiker war ein Mikrophon der Aufhänger, ein Liedermacher sang ein Kinderlied, nicht nur für die Kinder, und so weiter. Jeder brachte nämlich am zweiten Tag etwas mit, das als Symbol für die eigene ‚Beziehung zu Erde, Ökologie, Mitwelt’, so die Themenvorgabe, stand. Darum konnte sich die persönliche Geschichte dann um so leichter ranken.

So war schließlich jede/r ganz mittendrin im Geschehen, und alle Themen, Erfahrungen und Befindlichkeiten hatten nebeneinander Platz - Leichtes neben Schwerwiegendem, Spiel und Spaß neben Sorgen über Umweltzerstörung und andere übermächtig erscheinenden lokal-globale Herausforderungen. Mitten in der Veranstaltung sagte eine Teilnehmerin ganz erstaunt "e;Ja, hier kann ja jeder mitmachen!"e;

Dieser persönliche und lebenskünstlerische Umgang
mit gesellschaftlichen Herausforderungen hat im Laufe der Jahre zu weiteren Ideen für bürgerschaftliche Initiative, zu entsprechenden Veranstaltungen und schließlich zur 8-Tage Idee geführt. Da gab es langfristige Experimentiergruppen, öffentliche Veranstaltungen, Minifestivals im Park, Volkshochschulseminare, berufliche Fortbildungen und anderes zu Themen, wie Globalisierung und Bewegungskunst, Tanz- und Streitkultur, Global denken, lokal handeln - Lokale Agenda 21, Qigong und Chaostheorie, Balance-Tag oder Lebenskunst als politischer Faktor.

Ein Seil um die Welt
Um einen kleinen Eindruck von unserem Vorgehen zu vermitteln, erzähle ich von einem schönen Moment am Balance-Tag: Peter knüpft die zwei Enden eines dicken Seils zusammen. Er fordert uns auf, uns da hinein zu lehnen - diesen Seilkreis im Rücken. Das war ein gar nicht so leichtes Gleichgewichts-Spiel. Peter, der sonst mit Worten eher zurückhaltend ist, schreibt daraufhin ein kleines Gedicht:

Ein Seil macht es klar,
fast am Ende des Treffens, was für mich das Wichtige war.
Balance, am Anfang kontrovers diskutiert,
bekommt eine Form, die jeder spürt.
Entspannt, zurückgelehnt in ein Seil
spüre ich, jeder von uns ist ein Teil.
Ein Teil, von dem was geschieht,
dem jeder durch sein Tun eine Richtung gibt.
Obwohl nicht stabil, kann ich doch vertrauen
und voller Zuversicht zu den anderen schauen.
Ja, ich weiß, ihr werdet mich halten und ICH mit EUCH unsere Balance gestalten.
Es wäre schön, wäre das Seil um die Welt gespannt,
dann könnte jeder fühlen,
Ja, „Auch Ich" halte das Geschehen in der Hand!

Peter führt das Material-Lager einer großen Fabrik. Jeden Tag kommen da die unterschiedlichsten Leute vorbei, die etwas Spezielles brauchen. Ähnlich ist es in diesem Kreis: Er sagt nicht viel, aber er hat immer was Praktisches auf Lager.

Thomas Luther-Mosebach / Butzbach 2019

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