Allseitige Beteiligung
Im Jahre 1996 machten wir - eine Krankenschwester, ein Elektriker, eine Lehramtsstudentin, ein Rechtsanwalt, eine Physiotherapeutin und ein Tai Chi-Lehrer – in Gießen eine öffentliche Einladung zu einer ungewöhnlichen Themenkombination: Hoffnungsvolle Bewegungen sahen wir auf der politischen Ebene nicht. Die sahen wir aber eben auf der Ebene der persönlichen Lebenskünste und des Alltags und der sich dort herausbildenden und immer neu mischenden Vielfalt der Szenen und (Jugend-) Kulturen. In unserer Gruppe war vor allem das Üben von Bewegungskünsten das Verbindende, wie Kung Fu, Judo, Tanz oder Tai Chi. Unsere Leitidee für das geplante Treffen, die aktive Mitwirkung aller Teilnehmenden, leiteten wir insbesondere aus der ganzheitlichen Bewegungskunst des Tai Chi ab. Die Kunst des Tai Chi gründet auf dem genauen Studium der Bewegungen der Natur. Deshalb beruht ihre Wirkung – sowohl in den Gesundheitsübungen, wie auch in Wettkampf- oder Teamschulungen – auf Zwanglosigkeit und dem ganzheitlichen Zusammenwirken aller gegebenen Kräfte. Auf der sozialen Ebene nennt man das Allseitige Beteiligung, in der Heilkunst körperlich-seelische Selbstregulation, in der Kampfkunst Anwendung innewohnender Kraft, in der Wissenschaft lebender Systeme spricht man vom ökologischen oder systemischen Ansatz, Kinder sagen: Komm, wir spielen. Gemäß unserem Grundsatz der allseitigen Beteiligung bereiteten wir zu unserem Themenkreis kleine Erfahrungsfelder und Miniworkshops zum Mitmachen vor und luden die Gäste ein, das gleiche aus ihren teilweise ganz anderen Hobbys oder Berufen heraus zu tun, oder einfach eine passende persönliche Geschichte zum Thema bei zu steuern 25 Leute sind unserer Einladung gefolgt und wir hatten zweieinhalb Tage lang eine Menge Spaß miteinander. Teilweise sehr kontroverse Diskussionen mischten sich mit Feiern, zusammen Kochen und vielen kleinen Mini-Workshops und persönlichen Geschichten. Da gab es erstaunliche Geschichten über ein Paar Schuhe, eine Mohrrübe, für einen Physiker war ein Mikrophon der Aufhänger, ein Liedermacher sang ein Kinderlied, nicht nur für die Kinder, und so weiter. Jeder brachte nämlich am zweiten Tag etwas mit, das als Symbol für die eigene ‚Beziehung zu Erde, Ökologie, Mitwelt’, so die Themenvorgabe, stand. Darum konnte sich die persönliche Geschichte dann um so leichter ranken. So war schließlich jede/r ganz mittendrin im Geschehen, und alle Themen, Erfahrungen und Befindlichkeiten hatten nebeneinander Platz - Leichtes neben Schwerwiegendem, Spiel und Spaß neben Sorgen über Umweltzerstörung und andere übermächtig erscheinenden lokal-globale Herausforderungen. Mitten in der Veranstaltung sagte eine Teilnehmerin ganz erstaunt "Ja, hier kann ja jeder mitmachen!". Dieser persönliche und lebenskünstlerische Umgang Ein Seil um die Welt Ein Seil macht es klar, Peter führt das Material-Lager einer großen Fabrik. Jeden Tag kommen da die unterschiedlichsten Leute vorbei, die etwas Spezielles brauchen. Ähnlich ist es in diesem Kreis: Er sagt nicht viel, aber er hat immer was Praktisches auf Lager. Thomas Luther-Mosebach / Butzbach 2019 |