Innere und äußere Natur – eine Frage der Balance

(Einige weitere Gedanken zu dem von Imad eingebrachten Thema)


 

Die Natur tut gut. Die Natur ruht in sich und zugleich ist in ihr überall Bewegung und Wandlung. Vom Sonnensystem bis ins kleinste Atom und darüber hinaus pulsiert, pendelt, kreist alles in den Spannungsverhältnissen innewohnender Gegensätze. – Immer dabei zwischen Polaritäten, zwischen Plus- und Minusverhältnissen, auszubalancieren – Bewegung, Balance. „Alles ruht in sich.“ Dieser Satz kam mir erst beim Tai Chi und Qigong im schönen Garten oder im Raum der großen Platane über die Lippen. „... erfahre das Gleichgewicht hinter allem, was geschieht.“ Diesen Satz von Peter Ralson finde ich gerade passend bei der Durchsicht alter Notizen. *

„Alles hat zwei Seiten“,
wie der Volksmund weiß – zwei Seiten, die zusammengehören und ständig um Ausgleich und Balance bemüht sind. So finden wir überall ein Steigen und Sinken, oder Füllen und Leeren, Geben und Nehmen, Erhellen und Verdunkeln, Härten und Weichen, Bauen und Verfallen, Leben und Sterben, Bewegen und Ruhen – das Spiel der tausend Dinge des Lebens. Das Spiel sich ständig balancierender Gegensätze, die zusammen Eins sind. – „Yin und Yang“, wie die alten Chinesen sagen. Oder „Dualität“, wie unsere junge westliche Wissenschaft es ausdrückt.

In meiner Antwort auf Imad’s Kommentar, habe ich, am Beispiel der Reise in die makrokosmische Tiefe des Alls und umgekehrt in die mikrokosmische Tiefe des menschlichen Körpers, daran erinnern wollen, dass Innen- und Außenwelt ebenfalls zwei zusammengehörende Polaritäten bilden. (Hier fällt die Qualität der Raumhaftigkeit in allem auf, mit der wir uns im Sommer beim Tai Chi unter den Bäumen beschäftigt haben.)
Ohne Innen kein Außen, ohne Außen kein Innen. Eine Seite bedingt die andere, eins fließt in das andere – allein schon rein physisch und chemisch durch Ein- und Ausatmung, Nahrungsaufnahme und Ausscheidung.

Balance-Aufgaben
So schwingt alles in der natürlichen Welt im Großen und im Kleinen in Balance – und der Geist ruht in sich. – Bis er etwas Besonderes will. Er möchte vielleicht gern mal was Schöpferisches tun? Und wenn man den eigenen Willen einbringt, dann können die Dinge der Welt schon mal etwas stärker aus der Balance geraten. Dann gibt es Aufgaben – Balance-Aufgaben. Vor allem wohl, wenn wir zu lange geglaubt hatten, es besser als die Natur zu können, oder gar die Kontrolle über sie zu haben. Da gibt es dann erst recht Gelegenheiten für schöpferisches Tun – für das Einbringen unserer persönlichen Talente und Wachheit im vielfältigen Balancespiel der inneren und äußeren Welt.

Und so auch ganz aktuell: Klimapaket hin, Impfplan her, ich denke, wir kommen nicht darum herum, uns selbst ganz persönlich in all unseren Spannungsfeldern, wie Innen und Außen, Gesundheit und Krankheit, Tun und Lassen, Technik und Natur, Geben und Nehmen ... , immer entspannter balancieren zu lernen. Das ist – genauso wie im Tai Chi-Partnerspiel – ein ganzheitlicher Körper-Seele-Geist-Lernprozess mit Hand und Fuß, mit Herz und Verstand – mit allen Kontaktorganen hin zu anderen Menschen und zur Welt. Im Grunde das Spiel der Natur.

Diesen Weg ernsthaft-spielerisch zu gehen, würde aktuell einen ziemlich umfassenden Wandel auch in unserer Gesellschaft nach sich ziehen – weil wir es mit unserer Kontrollbedürftigkeit und also Naturdistanz schon sehr weit getrieben haben. In wie weit wir in der Lage sind, diesen aus Sicht der Natur wohl überfälligen Weg der Wandlung aktiv mit zu gestalten, das scheint mir die spannende gesellschaftspersönliche Frage zu sein.
Da fallen Klima-, Gesundheits-, bürgerschaftliche und viele andere Fragen in eins. Wie gesagt: Im Grunde das Spiel der Natur. Das Spiel, in dem wir unsere für Mensch und Natur wohltuende Selbstwirksamkeit erfahren können und in dem (uns) viel geschenkt wird.

Grüße von Thomas

*) siehe auch: Peter Ralston, Cheng Hsin – Die Prinzipien müheloser Stärke, Bacopa Verlag, S. 120